Kulturerbe Techno: UNESCO-Urkundenverleihung in Wiesbaden

Bericht zur Urkundenverleihung in Wiesbaden

Der 22. Oktober 2024 war ein großer Tag für die Berliner Technoszene. Im prunkvollen Barockschloss Biebrich in Wiesbaden wurde die „Technokultur in Berlin“ offiziell als UNESCO Immaterielles Kulturerbe in Deutschland bestätigt. Die feierliche Übergabe der Urkunde war ein historischer Moment für die Kulturschaffenden und alle, die sie seit Jahrzehnten mitgestaltet haben.

Als Antragstellerin waren wir, die rave the planet gGmbH, mit einer fünfköpfigen Delegation vertreten: Dr. Motte, Ellen Dosch-Roeingh, Timm Zeiss, Felicitas Settili und Yad Attar. Die Anerkennung der Berliner Technokultur durch die UNESCO ist nicht nur eine Ehrung der Kulturform, sondern auch ein ganz klares Zeichen: Techno ist mehr als nur Musik und wilde Partys, es ist ein essentieller Teil der Berliner Identität.

Appell: Techno muss im Herzen Berlins bleiben!

Doch bei aller Feierlaune war es wichtig, auch darauf aufmerksam zu machen, dass die Technokultur in Berlin akut bedroht ist – von Gentrifizierung und der geplanten Erweiterung der A100, um nur ein paar Themen zu nennen. Beim Pressegespräch vor dem Festakt hat Ellen Dosch-Roeingh deshalb die Politik dazu aufgerufen, die Technokultur aktiv zu schützen. Ihr eindringlicher Appell: „Ohne politische Unterstützung und adäquate Ausweichflächen könnte ein einzigartiger Teil der Berliner Kultur verloren gehen“. Dabei spiele eine besondere Rolle, dass die Kulturform nicht an den Stadtrand verdrängt werden dürfe, sondern „im Herzen Berlins“ bleiben muss.

Emotionale Momente und starke Botschaften

Der Festakt wurde von Timon Gremmels, dem Hessischen Minister für Wissenschaft und Kunst und Vorsitzenden der Kulturministerkonferenz, eröffnet. Er würdigte die Vielfalt der neu anerkannten Kulturformen und hob gleichzeitg deren Gemeinsamkeiten hervor. „Immaterielles Kulturerbe zu sein, bedeutet, sich zu engagieren und Verantwortung für sich und andere zu übernehmen, Traditionen zu pflegen oder auch neu zu schaffen“, erklärte er.

Ein weiterer Höhepunkt war das Podiumsgespräch mit Dr. Marlen Meißner von der Deutschen UNESCO-Kommission und Antje Reppe von der Beratungsstelle für immaterielles Kulturerbe in Sachsen. Hier wurde die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts thematisiert und die verbindende Kraft des immateriellen Kulturerbes hervorgehoben. Es wurde deutlich, dass solche Kulturen Menschen unabhängig von Alter oder sozialem Status zusammenbringen und oft von engagierten Ehrenamtlichen getragen werden.

Prof. Dr. Christoph Wulf, Vizepräsident der Deutschen UNESCO-Kommission und Vorsitzender des Fachkomitees für immaterielles Kulturerbe, hielt eine bewegende Laudatio, in der er die friedensstiftende und gemeinschaftsbildende Wirkung des Immateriellen Kulturerbes betonte. Er stellte die Freude in den Mittelpunkt, die mit der Ausübung dieser Traditionen einhergeht.

Offizielle Urkundenübergabe und Feierlichkeiten

Der emotionale Höhepunkt des Tages war die feierliche Übergabe der Urkunden. Prof. Dr. Wulf, Minister Gremmels und Dr. Meißner überreichten den sechs Neuzugängen die offiziellen Anerkennungsurkunden. Vor dem versammelten Publikum wiederholte Ellen Dosch-Roeingh ihren eindringlichen Appell aus dem Pressegespräch. Dr. Motte fasste die Geschichte der Berliner Loveparade zusammen und schuf damit eine Verbindung zur heutigen Technokultur.

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FILMVORFÜHRUNG IM FOYER

Später präsentierten wir noch unseren Kurzfilm „Technokultur in Berlin“, den wir vor zwei Jahren als Begleitmedium dem Antrag beigefügt hatten. Darin kommen verschiedene Protagonist:innen der Szene zu Wort, mit dabei Dimitri Hegemann, Dr. Motte und Ellen Allien und viele weitere. Sie beleuchten die Kulturform aus unterschiedlichen Perspektiven.

Lebendige Kulturen: Tradition und Moderne

Zum krönenden Abschluss der Festveranstaltung erwartete die Gäste ein spannender „Clash of Cultures“, den es so sicherlich noch nie gegeben hat: Den Anfang machte eine beeindruckende Live-Performance der Kirchseeoner Perchten, die in traditionellen Kostümen ihren „Tanz der Holzmandl“ aufführten.

Danach wurde gemeinsam auf das immaterielle Kulturerbe angestoßen – mit Viez, einem traditionellen Fruchtwein, dessen Herstellungswissen ebenfalls neu in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde. Das musikalische Finale dazu gestaltete Dr. Motte, der auf Wunsch der UNESCO ein DJ-Set in der prachtvollen Rotunde des Schlosses auflegte. Unter glitzernden Kristalllüstern, Stuck und Fresken tanzten die Gäste zu Techno – ein unvergesslicher Moment, der die Verbindung von Tradition und Moderne symbolisierte.

Tulpen für Berlin

Traditionell werden bei der Übergabe der Urkunden Blumensträuße überreicht. In diesem Jahr entschied die UNESCO jedoch, Tulpenzwiebeln zu verschenken, da viele der Geehrten einen langen Reiseweg hatten.

Unsere Tulpenzwiebeln haben die Rückreise nach Berlin bestens überstanden und wir machen uns jetzt daran, gemeinsam mit Kulturschaffenden einen geeigneten Ort in Berlin zu finden, um diese Tulpen anzupflanzen.

Außerdem haben wir vor, die UNESCO-Urkunde in einem öffentlichen Raum auszustellen – für alle offen und frei zugänglich, so wie es die Technokultur in Berlin auch ist.

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