Der Weg zum Immateriellen Kulturerbe

Auszüge aus dem Antrag & Basics zur UNESCO

Die Aufnahme der „Technokultur in Berlin“ in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes durch die Deutsche UNESCO-Kommission hat ein großes öffentliches Interesse geweckt und eine breite Debatte angestoßen. Das ist überaus erfreulich, doch es wurde dabei wiederholt sichtbar, wie komplex das Thema ist und wo die Verständnisschwierigkeiten liegen.

Mit diesem Artikel veröffentlichen wir erstmals Textauszüge aus unserem Antrag*, die als Zitate in Anführungszeichen und farbig gekennzeichnet sind. Sie stellen die wichtigsten Punkte zu den jeweiligen Themenabschnitten dar und sollen eine Idee über den Gesamtumfang der Bewerbung vermitteln.

Damit möchten wir ein besseres Grundverständnis ermöglichen und gleichzeitig die am häufigsten gestellten Fragen aus der Rave-The-Planet-Community beantworten. Mit der dadurch entstehenden Transparenz soll außerdem der große Wert der „Technokultur in Berlin“ vermittelt sowie die gesellschaftliche Anerkennung, die positive Diskussion darüber und die Partizipation gefördert werden.

*Anmerkung: Für den leichteren Lesefluss und das Einsparen von Schriftzeichen, wurde im Antrag bewusst auf gendergerechte Sprache verzichtet. Dennoch möchten wir ausdrücklich darauf hinweisen, dass mit jeder Verwendung des generischen Maskulinums, gleichermaßen alle Geschlechtervarianten gemeint sind.

Basics: Was man wissen muss

Was ist ein Immaterielles Kulturerbe?

Immaterielles Kulturerbe ist alles, was eine Gemeinschaft, eine Gruppe oder sogar eine einzelne Person als Teil ihrer Tradition betrachtet. Das können Praktiken, Bräuche, bestimmte Arten des Ausdrucks, Wissen oder Fertigkeiten sein. Es ist ein lebendiger Teil unserer Kultur und eng mit den Menschen verbunden, die es praktizieren und kreativ weiterentwickeln.

Das bedeutet, dass sich das Immaterielle Kulturerbe im Laufe der Zeit auch verändern kann, da es von gesellschaftlichen Entwicklungen, Innovationen und Transformationen beeinflusst wird. Der Schlüssel zur Erhaltung dieses Erbes liegt darin, dass es aktiv an die nächste Generation weitergeben wird.

Was ist die UNESCO?

UNESCO steht für „United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization“ (Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur).

Sie ist eine spezialisierte Organisation der Vereinten Nationen, die sich auf die Förderung internationaler Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation konzentriert. Ihre Ziele umfassen die Förderung des Friedens, der Sicherheit, Bildung, Wissenschaft, Kultur sowie die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten.

UNESCO-Abkommen zum Immateriellen Kulturerbe

Im Jahr 2003 hat die UNESCO-Generalkonferenz das Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes verabschiedet, das im Frühjahr 2006 nach Ratifizierung durch 30 Staaten in Kraft trat.

Heute sind 181 Länder Vertragsstaaten dieses Abkommens. Dazu gehören Nationen aus allen Regionen der Welt, wie Frankreich, China, Indien, Mexiko, Ägypten und viele andere. Deutschland ist dem Übereinkommen 2013 beigetreten.

Es gibt jedoch auch einige Länder, die das Abkommen nicht unterzeichnet haben. Dazu gehören Israel, Syrien, Südsudan, Brunei, Palau und die Vereinigten Staaten von Amerika.

Aufnahmeverfahren für das Bundesweite Verzeichnis

Die Anerkennung einer Kulturform als Teil des Immateriellen Kulturerbes erfolgt über ein mehrstufiges Bewerbungsverfahren. Die Vorschläge für die Aufnahme in das Verzeichnis kommen aus der Zivilgesellschaft, also von den Menschen, die diese kulturellen Traditionen leben und praktizieren.

Alle zwei Jahre findet in Deutschland eine Bewerbungsrunde statt, für die ein bundesweit einheitliches Bewerbungsformular genutzt werden muss. Alle Bewerbungen müssen den Anforderungen des UNESCO-Abkommens entsprechen und bestimmte Kriterien erfüllen (s. u.). Sie werden beim jeweiligen Bundesland eingereicht, das dann eine Vorauswahl trifft und bis zu vier Bewerbungen an das Sekretariat der Kultusministerkonferenz weiterleiten kann.

Die bundesweite Vorschlagsliste wird anschließend an das unabhängige Fachkomitee Immaterielles Kulturerbe bei der Deutschen UNESCO-Kommission übermittelt. Dieses Komitee prüft und bewertet die Bewerbungsdossiers anhand der festgelegten Kriterien und empfiehlt Kulturformen zur Aufnahme in das Verzeichnis.

Abschließend bestätigen die Kulturministerkonferenz der Länder und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien die Auswahlempfehlungen des Komitees. Die ausgewählte Kulturform wird dann in das nationale Verzeichnis aufgenommen, das in Deutschland den Titel „Bundesweites Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes“ trägt.

Die UNESCO hat auch globale Listen für den Erhalt des Immateriellen Kulturerbes erstellt. Nur Kulturformen, die bereits national gelistet sind, können von Mitgliedsstaaten der UNESCO für diese Listen vorgeschlagen werden.

Aufnahmekriterien

Die Kriterien für die Aufnahme in das Bundesweite Verzeichnis sind im UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes von 2003 festgelegt. Zum Beispiel muss die betreffende Kulturform nachweisbar lebendig sein. Das bedeutet, dass sie aktiv von den Gemeinschaften ausgeübt und gepflegt wird.

Eine weitere wichtige Anforderung ist, dass die kreative Weitergabe und Weiterentwicklung durch die sog. Trägergemeinschaften erfolgt, dass also die Menschen, die diese Kulturform praktizieren, aktiv daran beteiligt sind, sie zu bewahren und weiterzuentwickeln.

Darüber hinaus legt die Deutsche UNESCO-Kommission sehr großen Wert auf weitere Punkte, wie etwa eine differenzierte historische Reflexion und die Darstellung von Verknüpfungen zu ähnlichen kulturellen Ausdrucksformen in Deutschland, Europa und darüber hinaus.

Alle Anforderungen und Aufnahmekriterien auf der Website der UNESCO.

Aus dem Antrag: Technokultur in Berlin

Geographische Lokalisierung

Die UNESCO erfasst in ihren Bewerbungsformularen zunächst grundlegende Informationen und interessiert sich dabei zum Beispiel dafür, wo genau die jeweilige kulturelle Praktik stattfindet, ausgeübt und gepflegt wird.

„Die Anfänge des deutschen Technos sind umstritten. Während Frankfurt viele Jahre lang eine starke Konkurrenz darstellte, erlebte der Techno unter den dramatischen Bedingungen nach dem Fall der Berliner Mauer seine größten Durchbrüche, deren Auswirkungen sich über das ganze Land ausbreiteten und neue Szenen über Nacht entstehen ließen.

Seit dem Fall der Berliner Mauer steht Techno für das klangliche Ethos der Stadt Berlin, für ihre Vergangenheit und Gegenwart gleichermaßen…“

Kurzbeschreibung der Kulturform

„Technokultur in Berlin ist eine Subkultur rund um den Musikstil Techno, … Sie umfasst neben der Musik eine Vielzahl weiterer Phänomene der expressiven Kultur – performativ-ästhetische Praktiken und Artefakte, die vor dem Hintergrund einer allgemeinen kulturellen Situation eine subkulturelle lebensweltliche Relevanz haben (Bonz 2016). Während Techno seit Anfang der 90er Jahre ein globales Phänomen der musikalischen Jugendkultur ist, war sein Einfluss nirgends so groß wie in Deutschland.“

Ein entscheidender Moment in der Geschichte war das Jahr 1989, als viele Menschen nach Berlin kamen, um die Freude über den Mauerfall zu teilen und in der wiedervereinten Stadt zu feiern. Techno war der Soundtrack der Wende.

„Auch dreißig Jahre später ist die Party noch immer ein gemeinsames Erlebnis für Berliner und Touristen, und Berlin ist zur Hauptstadt der internationalen Club- und Technokultur geworden (Schofield, Rellensmann 2015). Säulenclubs wie das weltbekannte Berghain, Tresor, Watergate und Areale der Technokultur, wie das RAW-Gelände oder Veranstaltungsorte an der Elsenbrücke sowie Technoparaden, eine Ur-Berliner Sonderform der politischen Demonstration (erste Loveparade 1989), zeigen die ganze Vielfalt von Möglichkeiten in Berlin.“

Doch in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten hat Berlin eine dramatische Veränderung erlebt. Die weitreichende Gentrifizierung beeinflusst auch die subkulturellen und unabhängigen Szenen der Stadt. Clubs und alternative Veranstaltungsorte sind dem wachsenden ökonomischen Druck ausgesetzt. Einige mussten ihre Standorte aufgeben oder in Außenbezirke ausweichen. Dadurch ist die Einzigartigkeit der Berliner Technokultur gefährdet, die oft in historischen Gebäuden im innerstädtischen Raum stattfindet.

„Die Grundlage für den Erhalt der Technokultur in Berlin sind die Spielorte. Durch sie wird die Musik ebenso wie die ganz besondere Einstellung dazu immer wieder an die jeweils nächste Generation weiter gegeben.“

Heutige Praxis

Die Tanzveranstaltungen und die Musik selbst bilden den Kern der Kulturform. Es entsteht ein einzigartiger sozialer Raum, der sich durch Offenheit, Friedlichkeit, Freundlichkeit und Freiheit auszeichnet.

„Das benannte, einerseits nur für eine Nacht entstehende und doch auch über ganze Lebensläufe hinweg tragende Zusammengehörigkeitsgefühl, das oft mit Begriff ‚Familie’ beschrieben wird, bildet bis heute eines der wichtigsten Elemente von Techno. Im Kontext des Verlustes traditioneller identitätsstiftender Einheiten, wie der Kirche, bietet die Technoszene einen modernen und freizügigen Lebensstil, in Form von nicht-traditionellen Gemeinschaften (Hitzler, Pfadenhauer 2001).“

Entstehung und Wandel der Kulturform

Techno basiert auf verschiedenen musikalischen Entwicklungen wie die elektrische Klangerzeugung im 20. Jh., über Detroit Techno, Chicago House, EBM aus Belgien, Italodisco, New Wave und Acid House in Großbritannien, mit dem zweiten ‚Sommer of Love’ (1988).

„In Deutschland etablierten sich Mitte der 80er die Frankfurter und Berliner Clubszene, wobei die Kultur in Berlin nach dem Mauerfall ihren größten Durchbruch erlebte. Aus der in vorherigen Jahren entstandenen DJ-Kultur, wurde Techno zum Soundtrack des Ausnahmezustands und der Aufbruchstimmung nach der Wende (vgl. Denk und Thülen 2014). Die Freiräume verhalfen der Etablierung der Techno- und Clubszene, die bis heute in Berlin so präsent wie nirgends sonst ist (vgl. Fuchs 2007). Mit zunehmender Verbreitung erwachte auch das Interesse von Plattenlabels und Investoren, was immer wieder zu Tendenzen starker Kommerzialisierung geführt hat, denen sich Teile der Szene, und auch junge nachwachsende Generationen, durch Gegenbewegungen entziehen…

Seit der Entstehung gibt es etwa vier Generationen, die ineinander verschmelzen und die Kultur ständig neu erfinden. Offensichtlich wird das durch die DJs, als Musikkuratoren, welche durch einen komplexen künstlerischen und sozialen Austausch beeinflusst sind und dank ihrer umfangreichen Musiksammlung Klänge der Vergangenheit und Gegenwart zusammenführen (vgl. Attias, Gavanas, Rietveld 2013).“

Reflexion der Geschichte

Im Bewerbungsformular wird nicht nur die Kulturform selbst betrachtet, sondern auch ihre historische und gesellschaftliche Bedeutung. Die UNESCO wünscht sich eine kritische Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte, insbesondere der des 20. Jahrhunderts und Ereignissen wie dem Nationalsozialismus, der sowjetischen Besatzungszeit und der SED-Herrschaft in der DDR. Auch Themen wie Kolonialismus, Kriege, Migration, aktuelle gesellschaftliche Debatten oder Kontroversen, sofern zutreffend, sollen betrachtet werden.

„Nach dem Mauerfall kam es durch ungeregelte Zuständigkeiten der Polizeibehörden zu riesigen Immobilienbeständen in ungeklärten Eigentums- und Nutzungsverhältnissen. Viele Freiräume waren ein Jahrzehnt frei zugänglich, wodurch die Räume besetzt wurden und die künstlerische Entfaltung der Technoszene stattfand. Der Nationalsozialismus und die Teilung Berlins waren noch spürbar. Das Feiern war eine Möglichkeit die Vergangenheit zurückzulassen, indem fried- und freudvolle Orte des Miteinanders auf Augenhöhe geschaffen wurden. Der wesentliche Beitrag der Detroiter Künstler und des afro-amerikanischen Erbes sind als Ursprung hervorzuheben…

Aktuelle Debatten sind In- und Exklusion, Förderung eines geistlosen/hedonistischen Lebensstils, Entpolitisierung (Monroe 2017), Gleichstellung der Geschlechter, Digitalisierung und allen voran: Kommerzialisierung, deren Definition und Abgrenzung, denn ursprünglich war Geld verdienen nicht die Motivation. Viele interpretieren die Zusammenarbeit mit Industrie und Wirtschaft als Zerstörung des ‚Techno Spirits’…“

Wirkung und Nachhaltigkeit

Auch die Auswirkungen und Bedeutung der Technokultur außerhalb ihrer eigenen Gemeinschaften und Gruppen wird im Bewerbungsbogen erfragt. Dabei sollen z. B. Einflüsse auf die Popkultur sowie Aspekte der sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Nachhaltigkeit betrachtet werden.

„Der Technokultur liegt eine hochentwickelte Welt aus Musik, Kunst und Technologie zugrunde. Die digitale Kunstszene entwickelte sich parallel und gemeinsam dazu… Die Impulse flossen in die Gesellschaft ein, wie an der Mode deutlich sichtbar wurde. Elemente daraus sind heute bei den jüngeren Generationen im Trend.

Ökonomisch nachhaltig ist die Technoszene insofern, als dass sie viele Arbeitsplätze schafft, im Besonderen auch für ausgegrenzte Personen Zugangsmöglichkeiten zu gesellschaftlichen Leben öffnet. Zudem haben Studien klar aufgezeigt, dass Berlin vom sog. Techno-Tourismus profitiert…

Den größten Beitrag trägt die Technokultur zu sozialer Nachhaltigkeit bei. Vor allem Dank der queeren Szene sind Veranstaltungen oftmals Orte des freien Selbstausdrucks, weshalb viele sie als ‚Safe Space’ empfinden. Grenzen durch Kleidung, Herkunft, Alter, Einstellung, Sprache, Gender, sexuelle Orientierung und Einkommen lösen sich auf.“

Europabezug

In diesem Abschnitt des Bewerbungsformulars erfragt die UNESCO, wie die Kulturform mit anderen Kulturformen in Europa verbunden ist, welche Wechselwirkungen es gab und wie grenzüberschreitende Zusammenarbeit heute stattfindet.

„Neben den musikalischen Vorreitern ebneten alternative Jugendszenen Europas und weltweit Techno den Weg. So gibt es Überschneidungen mit der Stilisierung von Andersartigkeit der Punks, die konsumorientierte Haltung der Popper und die Friedlichkeit der Hippies…“

Weiter wurde hervorgehoben, dass gemeinsames Tanzen und Selbstentfaltung im Mittelpunkt der Technokultur stehen. Hier wurden die Einflüsse der New Yorker Schwulenszene betont, in der Clubs zum „Forum des befreiten Körpers“ wurden (Coers 2000).

Dieser und weitere Einflüsse aus Nordamerika spielten eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Technokultur in Berlin, weshalb in der Bewerbung auch der Bezug außerhalb Europas dargestellt wurde.

„Trotz der Detroiter Anfänge konnte Techno erst durch die Folgeentwicklung in Europa seine Wirkung entfalten: ‚Gemeinsam mit den feurigen Rave-Tracks aus Großbritannien, den Niederlanden und Belgien wurden die afrofuturistischen Visionen zu einem spirituellen Katalysator für jene Bewegung, die die aktuelle Landschaft Berlins neu definieren sollte, sein Achtzigerjahre-Image als düstere, vom Kalten Krieg geprägte Enklave überwinden half und es als eine der vitalsten und kreativsten Städte Europas etablierte.’ (Collin 2018)

Nach der schnellen Verbreitung kehrte Techno in die Staaten zurück, etablierte sich jedoch niemals wie andere Genres, weshalb Techno heute, dank des Mauerfalls, in Deutschland und insbesondere Berlin verankert ist.

Im Kontext der Globalisierung und Digitalisierung war die Technokultur von Anfang an weltweit miteinander verbunden. Die neutrale Matrix elektronischer Klänge, die unabhängig von Sprache und Kultur verstanden werden kann, haben viele nationale Musikszenen ihre Interpretationen zum Grundstil dazugegeben. Durch Bewegung der Akteure und Werke findet auch heute ein intensiver Austausch und Vermischung statt. Berlin hat in diesem Kontext dank seiner besonderen historischen Relevanz eine Vorreiterrolle und gilt weltweit als die Hauptstadt des Technos.“

Risikofaktoren für den Erhalt der Kulturform

Nachdem die Kulturform umfangreich beschrieben wurde, möchte die UNESCO den Schutzbedarf und mögliche Risikofaktoren für ihren Erhalt erfahren. Dabei sollen auch die möglichen positiven und negativen Effekte einer Eintragung im Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes bedacht werden, um die potenziellen Auswirkungen auf die Gemeinschaften und Gruppen zu verstehen, die die Kulturform praktizieren.

„Ein Hauptrisiko für den Fortbestand von Technokultur ist das ‚Clubsterben’, denn es braucht Freiräume damit die Kultur gelebt werden kann. Im Laufe der Jahrzehnte mussten bereits viele historischen Clubs schließen oder ihren Ort ändern. Investoren kauften z. B. besetzte Gebäude und führten so deren Schließung herbei (Coers 2000). Profitablere Nutzungen erhalten den Vorzug…

Ein anderer Grund findet sich auf der rechtlichen Ebene. Die Voraussetzungen, einen Club zu eröffnen oder zu betreiben, sind mit immer strenger werdenden Regelungen verbunden. Nachbarschutz, Brand- und Schallschutz stellen einen zu hohen Kapital- und Risikoeinsatz dar, als dass es erschwinglich wäre einen Club zu eröffnen. Vor allem junge Menschen haben somit stark erschwerte Voraussetzungen, sich in der Technokultur zu etablieren… Indem Techno Berlin als Stadt attraktiv gemacht hat, wurde die Stadt auch für Unternehmer interessant, die auf Wertsteigerung setzen…

Oft kann nicht mehr auf Kulturarbeit, sondern nur noch auf das Überleben fokussiert werden. Durch Corona wurde deutlich, dass die Technokultur und ihre Träger wenig Schutz erfahren. Einer der Gründe ist in der abwertenden gesellschaftlichen Haltung verortbar. Diskreditierende Zuschreibungen wie deviante ‚Drogenszene’, ‚triebverfallene Hedonisten’ sind exemplarisch (Klein 2004).

Hinzu kommt eine weitere Bedrohung, vor allem durch auf kommerziellen Social-Media-Plattformen wie Instagram und TikTok vorangetriebene Entwicklung, Techno immer stärker als konsumierbares Modeprodukt zu inszenieren, was zu einer weitgehenden Uniformierung und zu Exklusionsmechanismen führt (Groove Magazin 2022).

Was die Technokultur dauerhaft unterstützen könnte, ist Sensibilisierungsarbeit, um ihre gesamtgesellschaftliche Bedeutung sichtbarer zu machen. Auf einer materiellen Ebene sind favorisierende Politik und Gesetze, als auch Planungssicherheit durch langfristige Flächennutzung erforderlich.“

Schlusswort

Die o. g. zitierten Textpassagen stellen nur einen Teil der gesamten Bewerbung dar. Es wurden zudem auch Erhaltungsmaßnahmen, Zugang zur Kultur, Weitergabe von Wissen und vieles mehr erläutert.

Zur Erstellung der Bewerbung wurde sowohl Fachliteratur studiert als auch zahlreiche Interviews mit Szene-Protagonist:innen und -Kenner:innen geführt. Es wurden 10 exemplarische Fotos, etwa 50 Unterstützungsschreiben aus der Kultur und von kulturnahen Organisationen sowie zwei fachliche Begleitschreiben und eine lange Liste von Unterzeichner:innen unserer Unterstützungsliste (Petition) beigefügt.

Auch die Kurzdokumentation „Technokultur in Berlin“ auf dem YouTube-Channel von Rave The Planet wurde mit der Bewerbung eingereicht.

Ein besonderer Dank gilt allen Unterstützer:innen, deren Engagement und Beiträge diese Bewerbung erst möglich gemacht haben.

Literaturliste & Quellen (Auszug)


Header-Foto von Kajetan Sumila auf Unsplash

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